Tiere im Wald Lauríêl

hirimal nickt: "Du willst also die Waldtiere sehen, sehr gut. Dann kann es ja losgehen."
Sie gibt Ragnar ein Zeichen, worauf der Drache in die Knie geht. Behende klettert das Mädchen auf den Rücken des Tieres und fordert dich auf, es ihm gleich zu tun. Mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend nimmst du hinter Khirimal Platz. "Halt dich gut fest, es geht los!" ruft diese dir zu und schon geht es hinauf in die Lüfte. Du klammerst dich fest, so gut es geht und wagst es kaum, nach unten zu blicken. Schon nach kurzer Zeit merkst du, dass Ragnar allmählich tiefer geht, und endlich landet ihr auf einer kleinen Waldlichtung. Erleichtert atmest du auf und springst auf den Boden, wo Khirimal bereits kichernd auf dich wartet.
"Ich werde dir jetzt verschiedene Tiere zeigen, die vorwiegend in solchen Wäldern wie diesem hier leben. Folge mir!"

Ihr streift einige Zeit lang umher, dann entdeckst du am Fuße eines recht hochgewachsenen Baumes kleine, violette Kügelchen. Du hebst eines davon auf, um es näher zu betrachten. Durch das dichte Blätterdach des Waldes fallen schwache Sonnenstrahlen auf das runde Gebilde in deiner Hand und entlocken ihm einen matten, perlenartigen Glanz. Khirimal hat unterdessen den Ursprung dieser sonderbaren Perlen entdeckt und zeigt dir ein hübsches Insekt.

Perlenlibelle
Diese Libellenart, die eine Körperlänge von etwa fünfzehn Zentimetern erlangt, verdankt ihren Namen einer ganz bestimmten Eigenart. Während der Paarungszeit baut das Männchen aus einem speziell dafür erzeugten, schnell aushärtenden Sekret kleine Kugelnester, die innen hohl sind. Durch eine winzige Öffung legt das Weibchen seine Eier in das Innere des Nestes und fliegt anschließend damit zu einem Malungabaum, wo die Kugel an Blättern oder Zweigen festgeklebt wird. Die geschlüpften Raupen ernähren sich bis zu ihrer Metamorphose zum vollentwickelten Insekt ausschließlich von den Blättern dieser Baumart, daher findet man Perlenliebellen nur in Wäldern, in denen auch Malungabäume wachsen. Die verlassenen Kugelnester werden von einigen Völkern Rhejvandars gesammelt und als Perlenersatz zu Schmuck verarbeitet.

 

Weiter geht es mit eurer Erkundungstour durch den Wald und während du noch eifrig nach oben spähst, um im Geäst der Bäume nach neuen Tierarten zu suchen, hat Kirimal längst etwas am Boden entdeckt. Ein gewaltiger Käfer mit langen, dünnen Beinen hastet in gut zwei Schritt Entfernung an euch vorüber. Wenig später hast du ihn auch schon wieder zwischen all dem Gestrüpp aus den Augen verloren .

Caiaxkäfer
In den Wäldern Nyrions sowie der benachbarten Insel Jhalkyrr ist eine der größten Käferarten unserer Welt beheimatet - der Caiaxkäfer. Etwa handflächengroß (7-12 cm lang) kann der Rumpf des Männchens werden, weibliche Exemplare dagegen sind oft etwas kleiner. Sowohl Männchen als auch Weibchen besitzen einen schwarz glänzenden Leib sowie rot-schwarz gestreifte Schenkel und gelbe Hüften, wobei die Farben bei Männchen etwas kräftiger sind.

Die zur Familie der Pfeilkäfer zählenden Insekten sind zumeist während der Dämmerung aktiv, bei Tag dagegen bekommt man Caiaxkäfer selten zu Gesicht. Sie benötigen ein feucht-kühles Umfeld, welches sie im Unterholz der Wälder finden. Nur während den Regenperioden wagen sie sich über die Grenzen ihres Lebensraums hinaus und lassen sich dann auch in weiter entfernten Gebieten blicken. Da sie trotz ihres Körperumfangs gute Flieger sind, können sie größere Distanzen problemlos überwinden.

Sofern sie sich nicht gerade auf Nahrungs- oder Partnersuche befinden, verweilen Caiaxkäfer in sicheren Verstecken wie etwa in Aushöhlungen morscher Bäume, Erdlöchern, Steinspalten oder auch unter Reisighaufen. Ungebetene Gäste, auch wenn es sich dabei um Artgenossen handelt, werden vom "Hausherrn" angegriffen und vertrieben. Lediglich während der Paarungszeit geben Caiaxkäfer für kurze Zeit ihr Einsiedlerleben auf und bleiben für mehrere Tage mit ihrem Partner zusammen. Nach erfolgter Befruchtung des Weibchens begibt sich das Pärchen gemeinsam auf die Jagd. Das dabei erbeutete Tier wird in ein Versteck gebracht, wo das Weibchen dann 10 bis 20 Eier ablegt. Sobald dies vollbracht ist, geht wieder jeder seiner eigenen Wege. Sind die blass-gelblichen Larven geschlüpft, dient ihnen zunächst der von den Eltern abgelegte Tierkadaver als Nahrung. Danach leben sie räuberisch von anderen Insektenlarven, Weichtieren oder auch Aas. Je nach Nahrungsangebot dauert es ein bis fünf Jahre bis die Larven soweit entwickelt sind, dass sie sich verpuppen. Für die Metamorphose zum vollentwickelten Insekt benötigen sie etwa sechs Monate, dann schlüpfen die fertigen Käfer, die in ihrer Endform eine Lebenserwartung von zwei bis drei Jahre haben.

Auf dem Speiseplan des Caiaxkäfers finden wir ausnahmslos tierische Kost, und auch wenn Aas keineswegs verschmäht wird, steht lebende Beute an oberster Stelle. Auf Grund ihrer langen Beine können sich Caiaxkäfer relativ schnell fortbewegen, was ihnen bei der Jagd zugutekommt. Allerdings steht ihnen auch eine sehr wirkungsvolle Waffe zur Verfügung, mit deren Hilfe sie Beutetiere bezwingen können, die um ein Vielfaches größer sind als sie selbst. In zwei länglichen, nebeneinander liegenden Drüsenkanälen, die sich innerhalb ihres Panzers an der Bauchseite befinden, können die Käfer ein hochgiftiges Sekret bilden. Dieses härtet nach einiger Zeit aus und kann bei Bedarf gleich einem Pfeil aus einer Öffnung am Hinterleib herauskatapultiert werden. Hat das Geschoss sein Ziel getroffen, braucht der Jäger nichts weiter zu tun, als in sicherer Entfernung abzuwarten, bis das Gift seine Wirkung entfaltet hat und das Beutetier verendet. Auch gegen Feinde kann sich der Caiaxkäfer auf diese Weise zur Wehr setzen. Sind beide Pfeile verschossen, dauert es jedoch einige Stunden, bevor das Sekret erneut ausgehärtet ist. Während dieser Zeit ist der Käfer also schutzlos und zieht sich in sein Versteck zurück.

Die toxische Wirkung des Caiaxgiftes ist hoch genug, um auch für einen erwachsenen Rhejvandari lebensbedrohlich zu werden. Jedoch dauert es in der Regel einige Stunden, bis die Vergiftung soweit fortschreitet, dass es infolge von Muskellähmungen zum Tod kommt. Sofern die Ursache bekannt ist und ein Antiserum zur Verfügung steht, bleibt also genug Zeit, um entsprechende Gegenmaßnahmen einzuleiten.

 

Eine Zeit lang wandert ihr unter riesigen Enaid-Eschen einher, bis ihr plötzlich an den Rand des Waldes gelangt und sich vor euch eine weite Graslandschaft erstreckt. Khirimal bezeichnet sie als die Olang-Ebene. Staunend genießt du die Aussicht, bis dich auf einmal ein Rascheln neben dir aus deinen Tagträumen reißt. Ein kleines Tier mit langem Schwanz und spitzen Ohren hatte sich wohl im Gras versteckt. Jetzt läuft es an dir vorbei und verschwindet zwischen den Bäumen.

Lojaka'e
Der Lojaka'e (plural: Lojaka'i) ist ein etwa 30-40 cm großes Raubtier. Er ernährt sich vorwiegend von Kleintieren und Vögeln. Sein rotbraunes Fell tarnt den Räuber hervorragend in seiner natürlichen Umgebung, den lichten Wäldern Nyrions und Lundreas. Der Lojaka'e ist hier hauptsächlich an den Waldrändern und im hohen Gras der angrenzenden Wiesen, Felder und Steppen anzutreffen. Durch seine geringe Größe ist er aus weiter Ferne nur schwer zu erkennen, vor allem dann, wenn er sich auf Beutezug befindet. Während des Anpirschens drückt er seinen Körper so gut es geht an den Waldboden und schiebt sich mit seinen kräftigen Hinterläufen vorwärts. Durch die starken Sprunggelenke kann er schließlich, wenn er sich seinem Opfer weit genug genähert hat, dieses mit einem schnellen Satz packen und mithilfe seiner spitzen Zähne festhalten. Auch für eine Verfolgungsjagd sind seine Beine sehr gut geeignet. Der lange Schwanz des Tieres dient zum Ausbalancieren des Gleichgewichts während des Sprungs und bei der Landung. Seine ernorm großen Ohren ermöglichen dem Lojaka'e Geräusche seiner Beute schon aus größter Entfernung wahrzunehmen, da er hier keine Hilfe durch seine anderen Sinne bekommt. Er ist mit einem schlecht ausgeprägten Geruchssinn ausgestattet ist und seine Augen können nur Dinge auf kurzen Distanzen gut erkennen.
Lojaka'i jagen hauptsächlich allein und sind auch sonst Einzelgänger. Einmal im Jahr jedoch, zu Beginn des Isnirr, suchen sie sich einen Partner, mit dem sie etwa vier bis fünf Dekaden verbringen. Während dieser Zeit werden die Jungen gezeugt, die dann fünf Monate im Leib der Mutter heranwachsen. Nach der Geburt kehrt der Vater zurück, um sich um die Aufzucht der Kleinen, deren Sinne bereits voll ausgebildet sind, zu kümmern, während die Mutter ihre Kinder verlässt. Kehrt der Vater nicht zurück, sind die kleinen Lojaka'i auf sich gestellt, was ihr Überleben um einiges erschwert. Sie müssen nun selbstständig auf die Jagd gehen und sich versorgen. Daher passiert es auch oft, dass die schwächeren des Wurfs den stärkeren Tieren zum Opfer fallen, um so zumindest das Überleben einiger Lojaka'i zu sichern.

 

Interessiert schaust du dem davonlaufenden Tier hinterher, als du aus dem Augenwinkeln heraus noch eine andere Bewegung wahrnimmst und den Kopf in die entsprechende Richtung wendest. Nur wenige Schritte von dir erblickst du ein rotbraunes Fellknäuel im Gras. Aus schwarzen Knopfaugen mustert es dich, kurz darauf beginnt das Tier emsig in der Erde zu scharren. Als es sich aufsetzt, hält es eine dicke Made zwischen den Pfoten und kaut genüsslich darauf herum.

Ka'zun
Ein auf allen Kontinenten Rhejvandars verbreitetes Waldtier ist der Ka'zun (gesprochen Kahsun). Besonders in lichten Baumbeständen oder an Waldrändern kann man ihn häufig bei seinen Streifzügen beobachten, wenn er sich während der späten Abendstunden auf die Suche nach etwas Fressbarem begibt. Als Nahrung dienen ihm in erster Linie Beeren, Nüsse und andere pflanzliche Kost, aber auch kleinere Insekten oder Würmer werden gern verspeist. Das dunkle, rötlichbraune Fell schützt den Ka'zun während der Jagd gut vor den Augen seiner Feinde. Tagsüber hält er sich meist im Bau auf, den er sich in unterirdischen Erdlöchern oder unter umgestürzten Bäumen eingerichtet hat.
Mit einer durchschnittlichen Körperlänge von etwa zwei Fuß ist der Ka'zun groß genug, um sich gegen die meisten Raubtiere behaupten zu können. Zu seinen natürlichen Feinden zählen daher nur sehr große Tiere wie zum Beispiel der ebenfalls in den Wäldern Rhejvandars beheimatete Wugom. Durch seine starken Hinterbeine ist der Ka'zun jedoch in der Lage, weite Sprünge auszuführen und sich somit schnell in Sicherheit zu bringen. Falls nötig, nutzt er aber auch Baumkronen und höhergelegene Äste als Versteck, wobei ihm der lange Schwanz bei der Wahrung des Gleichgewichts dienlich ist.
Der von Natur aus recht zutrauliche Ka'zun wurde während des achten Jahrhunderts von den Rhejvandari domestiziert. Seine friedliche, gleichzeitig aber verspielte Art macht ihn daher zu einem geeigneten Haustier für Familien. Wird er jedoch schlecht behandelt, geschlagen oder eingesperrt, kann es vorkommen, dass er seinen Besitzer angreift oder die Flucht ergreift. Wem also etwas an einer langwährenden Freundschaft mit dem Tier liegt, der sollte es stets mit Liebe und Respekt behandeln.

 

Ihr kehrt nun wieder zurück in den Wald, um nach weiteren Tierarten zu suchen. Als ihr aus der Ferne dumpfes Knurren und andere sehr bedrohlich klingende Geräusche vernehmt, wird dir ein wenig bang zumute. Auch Khirimal bewegt sich jetzt nur noch sehr vorsichtig. Immer wieder ermahnt sie dich, leise zu sein. Kurz vor einer Lichtung macht ihr schließlich Halt und klettert eilig auf einen Baum. Du kannst deutlich hören, wie das Knurren immer näher kommt, kurz darauf stürmt eine Schar sehr großer, rotschwarzer Tiere über die Lichtung, bei deren Anblick du nur hoffen kannst, dass sie euch nicht entdecken.

Wugom
Der Wugom zählt zu den gefährlichsten Tierarten, die in den einfachen Laub- und Nadelwäldern Rhejvandars zu Hause sind. Er erreicht zwar nur eine Schulterhöhe von etwa einem Schritt, jedoch jagt er fast ausschließlich in Rudeln und kann auf kurzen Strecken trotz des stämmigen Körperbaus sehr schnell eine recht hohe Geschwindigkeit erlangen. So haben seine Opfer kaum eine Chance, selbst wenn sie den Wugom an Größe übertreffen. Sein auffälliges Fellmuster und das leuchtende Rot verleihen ihm zusätzlich ein furchteinflößendes Aussehen.
Mithilfe der großen Ohren und einer feinen Nase kann er bei geeigneter Windrichtung seine Beute schon von weitem ausmachen. Die einzige Möglichkeit, diesem Raubtier zu entkommen, ist es, sich auf einem Baum oder ähnlichem zu verstecken und solange zu warten, bis der Wugom das Interesse verliert.

 

Zum Glück haben die Wugoms euch nicht bemerkt und nachdem sich ihr Knurren in der Ferne verloren hat, wagt ihr euch von eurem sicheren Platz auf dem Baum wieder herunter. Allmählich beginnt es zu dämmern, müde von der Aufregung und vom vielen Herumlaufen macht ihr euch auf den Rückweg. Als ihr die Lichtung erreicht, ist die Sonne bereits untergegangen. Doch bevor ihr eure Heimreise antretet, werdet ihr noch Zeuge eines besonders sehenswerten Schauspiels, denn mit Einbruch der Nacht werden im Unterholz die Fünkchen aktiv. Wie kleine, leuchtende Bälle tanzen sie um euch herum und erzeugen mit ihrem Licht eine märchenhafte Atmosphäre im Wald.

Fünkchen
Diese kleinen geflügelten Lichtwesen, die zur Famile der Lichtfalter gehören, werden nur etwa einen halben Finger lang. Ihren Namen erhielten sie, weil sie beim Umherschwirren kleine Funken verstreuen. Im Gegensatz zu ihren größeren Artgenossen, den Flammlingen, sind die Fünkchen jedoch völlig harmlos, da sie nur Lichtfunken erzeugen und somit keine Brände verursachen können.

Fünkchen kann man des Nachts während der warmen Jahreszeit fast überall antreffen, besonders aber in aufgelockerten Wäldern oder in Gebüschen. Das Licht der kleinen Falter ist von gelb-oranger oder grünlicher Farbe. Zur Paarungszeit ziehen sie jedes Jahr in riesigen Schwärmen zu Seen und anderen ruhigen Gewässern, um dort ihre Eier abzulegen. Dieses Naturschauspiel wird im Volksmund als Fünkchenreigen bezeichnet.

 


Nachdem Khirimal dir alle Tiere des Lauríêl-Waldes gezeigt und Ragnar euch zurück nach Jhalkyrr gebracht hat, legt ihr euch erst einmal zur Ruhe. Am nächsten Morgen blickt deine Begleiterin dich fragend an. "Hast du genug oder möchtest du, dass ich dir noch andere Gebiete zeige?"



Lauríêl (Wald)
Wüste Ybra
Unterwasserstadt Imeryll
Nebelwälder
Ghomols Schlund
Aroughe-Gebirge
Farm Naril
Höhlen von Malintum
Schneegebiete auf Idrigon
Feuerhöhlen Tonthaguri